Steckbrief

Gong! Mein spektRakuläres Leben

"Gong! Mein spektRakuläres Leben" ist eine Serie über Neurodiversität, Freundschaft, Loyalität und Selbstvertrauen. Hier findet ihr Informationen rund um die Sendung.

Worum geht es bei "Gong! Mein spektRakuläres Leben"? nach oben

Im Mittelpunkt der Serie steht der Alltag der zehnjährigen Autistin Eileen und ihre neurodivergente Wahrnehmung der Welt. So ist für Eileen die anstehende Klassenfahrt eine Horrorvorstellung. Deshalb will sie den Ausflug sabotieren. Als sie dank ihres Bruders und seiner besten Freundin sieht, wie spannend Abenteuer sein können, wenn man sie mit guten Freundinnen und Freunden bestreitet, ändert sich ihr Ziel: Sie will bis zur Klassenfahrt auch einen Buddy finden. Nach und nach lernt Eileen Fred, Clara und Gabriel kennen. Die Vier wachsen als Freundesgruppe zusammen und begeben sich gemeinsam auf das Abenteuer Schullandheim.

Wie wurden die Themen Autismus und Neurodivergenz umgesetzt? nach oben

Neurodiverse Menschen sowie Expert*innen für Autismus, kindliche Entwicklung und Pädagogik wurden an unterschiedlichen Positionen am Projekt beteiligt, wie zum Beispiel im Autor*innenteam, als Berater*innen oder in der Kinderbetreuung. Mehr dazu verraten die Macherinnen der Serie im Interview:

Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten
Darüber könnt ihr miteinander sprechen: Autismus und Neurodiversität, Freundschaft, Selbstvertrauen, Diversität
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Autismus kindgerecht erklärt: Video-Interview mit Experte Prof. Schilbach nach oben

Albin, in der Serie "Gong!" ein Klassenkamerad von Autistin Eileen, will genauer wissen, was Autismus ist. Dazu befragt er Prof. Dr. med. Leonhard Schilbach, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Albin: Hey Leute! Cool, dass ihr eingeschaltet habt. Ich bin’s Albin und wir sind hier bei nachgefragt!. Wie ihr wisst, ist meine Klassenkameradin Aileen Autistin, doch sie sagt immer nur: „Kennste eine Autistin, kennste eine Autistin.“, doch ich will mehr darüber hinaus finden. Heut zu Gast: Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Professor Dr. Leonhard Schilbach. Hi!

Leonhard Schilbach: Hallo Albin.

Albin: Stellen Sie sich doch kurz einmal vor!

Leonhard Schilbach: Ja, ich bin Leo, bin Arzt und ich arbeite in einem ganz großen Krankenhaus, wo es unterschiedliche Stellen gibt, wo Menschen hinkommen können, deren Seele krank ist. Und da lerne ich jede Woche Menschen mit Autismus kennen.

Albin: Was genau ist Autismus eigentlich?

Leonhard Schilbach: Autismus wird als Entwicklungsstörung bezeichnet. Das heißt Menschen mit Autismus sind von Geburt aus anders und das Gehirn entwickelt sich anders. Und das führt dazu, dass Menschen mit Autismus die Welt anders wahrnehmen und vor allem in sozialen Kontakten nicht gut zurechtkommen. Also Menschen mit Autismus zum Beispiel interessieren sich nicht so für andere Menschen, sondern lieber für Dinge und können auch im Kontakt mit anderen Personen nicht so gut herausfinden, wie geht’s eigentlich dem anderen, was hat der so für Absichten, was möchte der gerne. Deswegen kommt es ganz häufig zu Missverständnissen. Früher hat man gedacht, dass es unterschiedliche Formen gibt von Autismus, da hat man aber gemerkt in den letzten Jahren, dass das eigentlich gar nicht so wichtig ist. Das heißt, heute sprechen wir eigentlich nur noch von einer sogenannten Autismus-Spektrum-Störung. Und bei dem Autimus-Spektrum steckt auch schon drin, dass jeder eigentlich auch so ein bisschen autistisch sein kann.

Albin: Also kann es sein, dass ich vielleicht sogar ein bisschen autistisch bin und ich es gar nicht merke?

Leonhard Schilbach: Das könnte auch sein. Das hängt vor allem stark davon ab, wie stark das Bisschen Autismus ist. Wenn der Autismus nur wenig ausgeprägt ist, dann können auch autistische Merkmale etwas ganz Tolles sein. Weil Autismus zum Beispiel dabei hilft logisch zu denken. Und dann gibt es eben Menschen, die sind besonders stark autistisch, also die haben das ganz viel und dann merkt man, dass die bestimmte Schwierigkeiten bekommen. Also ein bisschen autistisch zu sein ist ganz gut, weil dann kann man z.B. gut denken, auch logisch denken. Aber wenn man ganz sehr autistisch ist, dann fällt es den Menschen häufig schwer mit anderen Menschen umzugehen. Mit denen zu sprechen, auf die zuzugehen oder auch zum Beispiel das zu machen, was wir gerade machen, also, dass wir uns in die Augen schauen, Blickkontakt halten, zum Beispiel. Das können Menschen mit Autismus nicht so gut. Und das merken dann wiederrum die Anderen, also die Personen ohne Autismus und wundern sich und sagen „Komisch, was ist denn da los? Der guckt mich gar nicht an, will der nicht mein Freund sein?“ Und so weiter.

Albin: Welche Ursachen gibt es da?

Leonhard Schilbach: Also heute weiß man, dass Autismus ganz viel mit den sogenannten Genen zu tun hat. Also das heißt Autismus wird vererbt, was man daran merken kann, dass häufig in einer Familie, wenn da eine Person mit Autismus ist, dass es auch andere gibt. Also zum Beispiel, dass der Vater oder bei den Großeltern auch eine Person war, die vielleicht auch schon ein bisschen Autismus hatte oder auch ganz schön dolle sogar. Das heißt, das wird so weitergegeben, ohne dass man jetzt irgendwas dafür kann.

Albin: Wie entsteht Autismus?

Leonhard Schilbach: Ja, Autismus entsteht, weil das Gehirn sich anders entwickelt. Also ist es zum Beispiel bei kleinen Kindern mit Autismus so, dass das Gehirn im Kopf ganz schnell wächst, viel schneller als bei Kindern ohne Autismus. Dadurch verändert sich die Art und Weise, wie die die Welt wahrnehmen. Also autistische Kinder zum Beispiel, die können ganz gut alleine sein und können stundenlang dasselbe machen, wo andere schon sagen würden „Warum machst du das jetzt so lange? Das ist doch viel zu lang“, fünf Stunden irgendwelche Dinge zu sortieren oder so und die Kinder mit Autismus finden das aber gut.

Albin: Okay, aber ist Autismus dann überhaupt richtig heilbar?

Leonhard Schilbach: Also soweit wir wissen ist Autismus nicht heilbar. Wenn man einmal so eine Autismus-Diagnose bekommt, dann heißt das, dass man sein ganzes Leben lang Autist sein wird. Es gibt aber auch Personen mit Autismus, die sagen, das ist gar nicht schlimm, weil Autismus eben nicht nur Schwächen bedeutet, also dass man manche Dinge nicht so gut kann, sondern auch Stärken. Also, dass man manche Dinge besonders gut hinkriegen kann. Zum Beispiel, sehr genau hinzuschauen und Menschen mit Autismus, die bemerken ganz viele Kleinigkeiten und ganz viele Details, die anderen Menschen gar nicht auffallen.

Albin: Und kann man sagen, dass Autismus eine Behinderung ist oder nicht?

Leonhard Schilbach: Ja, also in Deutschland sagen wir, dass Autismus zu den sogenannten seelischen Behinderungen gehört und der Grund dafür ist, dass wir merken, dass bei den Personen, bei denen der Autismus stark ausgeprägt ist, dass die viele Nachteile haben. Also die kommen nicht so gut zurecht in der Schule, weil da eben viele andere Kinder und Menschen sind und es dann zu Schwierigkeiten kommt und Missverständnissen. Und auch später, wenn die eine Ausbildung machen wollen und Arbeiten machen wollen, dann haben die viele Probleme, für die sie gar nichts können. Und die Idee ist ja, dass wenn eine Behinderung anerkannt wird, dass man dann versucht, die Nachteile auszugleichen. Also, dass Menschen mit Autismus eine besondere Unterstützung bekommen, also zum Beispiel einen Schulbegleiter, eine Schulbegleiterin, damit die eben auch zur Schule gehen können und da gut mitkommen.

Albin: Was bedeuten die Begriffe Neurodiversität, Neurodivergenz und neurotypisch?

Leonhard Schilbach: Ja, das sind komplizierte Begriffe. Eine wichtige Idee dabei ist, dass wir davon ausgehen, dass ja alle Menschen unterschiedlich sind. Diese Unterschiedlichkeit hat auch viel mit unserem Gehirn zu tun, weil das Gehirn ist ja das Organ im Kopf, was dafür zuständig ist, wie wir die Welt wahrnehmen, also alles was ich sehe zum Beispiel, was ich höre, das bestimmt alles mein Gehirn. Und die Idee von Neurodiversität, die ist, dass das Gehirn von Menschen unterschiedlich ist und das in Abhängigkeit davon, wie unterschiedlich das Gehirn ist, wir die Welt auch anders wahrnehmen. Bei Menschen mit Autismus, zum Beispiel, wissen wir, dass das Gehirn anders funktioniert und anders arbeitet. Deswegen könnte man sagen, das sind Personen, die sind neurodivergent. Also, die sind nicht so wie die meisten und die meisten Menschen sind dann die sogenannten neurotypischen Personen, also bei denen das Gehirn so arbeitet wie bei den meisten. Ein anderer wichtiger Punkt ist dann, dass es Menschen gibt, die von sich selber sagen, sie sind neurodivergent, also „Ich hab zum Beispiel Autismus oder ADHS“ und die möchten gerne und das kann ich auch verstehen, dass man dann nicht gleich von einer Krankheit spricht. Also die sagen „Ist doch vielleicht ganz gut, dass es auch Menschen mit Autismus gibt, weil die haben eben besondere Fähigkeiten und Stärken“. Und das ist, glaube ich, auch mit dem Begriff Neurodiversität gemeint.

Albin: Das klingt sehr kompliziert.

Leonhard Schilbach: Ja, das kann man wohl sagen.

Albin: Wann kann man denn Autismus eigentlich erkennen?

Leonhard Schilbach: Autismus kann man meistens schon sehr früh im Leben erkennen. Also schon so in den ersten Lebensjahren, wenn man sich da richtig gut auskennt, dann kann das so ab dem zweiten/dritten Lebensjahr, können das Ärztinnen und Ärzte feststellen. Meistens merkt man das aber spätestens danach, also im Kindergarten oder Grundschulalter. Ab der Zeit kann man das eigentlich herausfinden, weil man dann merkt, dass das Kind, eben ganz anders ist als die meisten anderen Kinder.

Albin: Und wie häufig tritt Autismus auf?

Leonhard Schilbach: Autismus tritt bei einem Prozent der Bevölkerung auf. Das heißt also in Deutschland haben wir ungefähr 800 000 oder 850 000 Menschen mit Autismus, also eigentlich ganz schön viele.

Albin: Wie wird Autismus-Spektrum-Störung behandelt?

Leonhard Schilbach: Also Behandlungen gibt es vor allem in dem Bereich was wir Psychotherapie nennen. Und da geht es vor allem darum, dass man Dinge lernt. Man bekommt Informationen. Wir haben zum Beispiel bei uns in der Klinik eine Gruppe, da darf man nur rein, wenn man eine Autismus-Diagnose hat. Und in der Gruppe sind dann verschiedene Personen mit Autismus, aber auch zwei Psychologinnen und die erklären ganz viele Dinge. Die erklären zum Beispiel „Was ist Autismus?“ und dann jede einzelne Person sich selber überlegen, was trifft eigentlich auf mich zu, was ist bei mir nicht so. Und dann geht es auch darum zu versuchen soziale Interaktion zu erklären, also wie funktioniert das eigentlich, weil eben die Personen mit Autismus sich da nicht so leicht tun, oder die verstehen nicht automatisch, einfach so, zum Beispiel, wie es einer anderen Person geht. Die können Gesichtsausdrücke nicht so leicht lesen und wissen dann nicht, ist der andere jetzt fröhlich oder traurig, darf ich den ansprechen oder nicht. Das sind so Dinge, die versuchen wir zu erklären und dann können Personen mit Autismus versuchen das einzuüben, damit sie mit solchen Situationen besser zurechtkommen.

Albin: Fühlen alle autistischen Personen gleich?


Leonhard Schilbach: Auf gar keinen Fall. Wir merken bei uns in der Gruppe, wo jetzt viele Personen mit Autismus sind, dass es so Ähnlichkeiten gibt zwischen den Personen mit Autismus und dass die zum Beispiel, wenn sie in so einer Gruppe sind, wo nur Autisten sind miteinander besser und auch einfacher kommunizieren können. Aber das heißt nicht, dass die alle dasselbe fühlen, gar nicht. Menschen mit Autismus haben ganz unterschiedliche Gefühle, haben auch ganz unterschiedliche Interessen, der eine interessiert sich für das, der andere für das, so wie du und ich wahrscheinlich auch unterschiedliche Interessen haben.

Albin: Wie würden Sie sagen, wie kann ein Zusammenleben besser gelingen?

Leonhard Schilbach: Also ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man erst mal weiß, dass es so etwas gibt wie Autismus und dass eben diese Menschen auch bestimmte Bedürfnisse haben in der Kommunikation. Also, zum Beispiel, bei Menschen mit Autismus mit denen muss man ganz direkt sprechen, da kann man sich nicht darauf verlassen, dass der schon irgendwie merkt was man vielleicht gemeint hat oder denkt der kann das an meinen Gesichtsausdrücken ablesen, ob ich das ernst gemeint habe oder nicht. Sondern da ist es, zum Beispiel wichtig, dass man sich klar äußert. Das kann helfen, dass dann die Kommunikation zwischen mit und ohne Autismus ganz gut klappt. Das heißt letzten Ende, es müssen sich beide Seiten ein bisschen mehr anstrengen. Menschen mit Autismus können vielleicht lernen, wie kann ich es schaffen mich auf die Person ohne Autismus einzustellen, aber dasselbe gilt natürlich auch für die Personen ohne Autismus. Die sollten lernen, was ist anders bei den Menschen mit Autismus und wie kann ich es eben aber trotzdem hinkriegen mit denen gut befreundet zu sein, mit denen zu spielen und so weiter.

Albin: Dankeschön. Sie haben mir auf jeden Fall weitergeholfen und jetzt weiß ich viel besser, was Autismus eigentlich ist. Ich hoffe, euch hat es auch gefallen und falls ihr irgendwelche Fragen habt, schreibt sie mir einfach.

Stand: 13.10.2023, 12:03 Uhr