Selbstfürsorge mit Familie
Mit Kindern achtsam durch den Alltag
Kinder leben im Hier und Jetzt. Sie kennen keinen Zeitdruck, keinen Stress. Was können Erwachsene von ihrer Achtsamkeit lernen? Und wie können wir zusammen mit Kindern die Welt bewusster wahrnehmen? Spielideen, Sportübungen, Rezepte, Videos und ein Interview zum Thema Achtsamkeit mit Kindern.
Wenn eine globale Krise die nächste jagt. Wenn wir für die nächsten 8 Wochen Termine haben. Wenn wir mit Sorge an die Zukunft denken. Wenn wir mit Herzrasen einschlafen und mit Kopfschmerzen aufwachen. Wie sollen wir dann noch Ruhe und Gelassenheit für unsere Kinder ausstrahlen?
Das Konzept Achtsamkeit ist ein Trend, der aus dem Buddhismus zu uns herübergeschwappt ist und als Heilmittel gegen Stress gilt. Selbst manche Krankenkassen bezahlen inwzwischen ein Achtsamkeitstraining.
Doch was ist dran an diesem Hype um Achtsamkeit? Kann bewusstes Wahrnehmen wirklich so viel in uns verändern?
Was heißt es, achtsam zu sein?
Achtsam sein heißt, sich ganz auf den Moment einzulassen. Und zwar ohne eigene Bewertung. Das klingt einfach, aber völlig im Hier und Jetzt zu sein, fällt uns im Alltag schwer. Oft hängen wir mit unseren Gedanken in der Vergangenheit (was hätte ich gestern beim Meeting besser sagen können?) oder kümmern uns mental bereits um die Probleme der Zukunft (wie feiere ich den Geburtstag meines Kindes?). Wir hoffen immer darauf, dass sich bei uns mehr Zufriedenheit einstellt.
Im Moment verweilen und alles andere ausblenden - das können Kinder besser als Erwachsene. Sie lassen ihre Emotionen direkt heraus oder verlieren sich ganz im Spiel. Doch auch Kinder können unter Druck stehen. Konflikte mit Freunden, Lehrer*innen, Streit mit Geschwistern oder eine globale Krise wie Krieg oder Pandemie sind bspw. Probleme, die bei den Kleinen für Stress sorgen und damit die Ausgeglichenheit ins Wanken bringen.
Mithilfe von Achtsamkeitsübungen können Familien gemeinsame Momente schaffen und eigene Bedürfnisse besser kennenlernen. Sowohl die der Kinder als auch die eigenen. Machmal reichen dafür schon ein paar Minuten am Tag aus.
Kummerkasten-Beraterin Sabine Marx und Achtsamkeitstrainerin Uta Knaur geben Tipps und Antworten zum Thema Achtsamkeit und Selfcare.
Aufmerksam durch die Natur nach oben
Bei einem Spaziergang im Wald muss nicht immer laut geredet oder zügig gewandert werden. Wer es schafft, bewusst ruhige Momente zu schaffen und Kindern eine konkrete Aufgabe zu geben, kann sich sich bewusst auf das Hier und Jetzt konzentrieren.
Tipp: Beobachtet zusammen Insekten oder Pflanzen. Horcht auf die Geräusche, die euch umgeben oder sammelt kleine Naturschätze, die ihr riechen und fühlen könnt.
Spielidee: Welche Geräusche habt ihr gehört? Eine Minute lang ruhig sein und alle Geräusche sammeln, die auf euch einwirken
Kinder können Naturmaterialien sammeln und damit etwas bauen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem "Drei gewinnt"-Spiel aus Stöcken, einem Stein-Domino oder einem Suchbingo für den Waldspaziergang?
Zuhören, Vorlesen, Geschichten erzählen nach oben
Auch Kinder reagieren manchmal müde, überreizt und schlecht gelaunt auf die Anforderungen und Erlebnisse des Tages. Eltern können nicht immer erfassen, was in ihrem Kind gerade vorgeht und welche Gefühle es durchlebt. Geschichten sind eine wunderbare Art, Kindern bei der Stressbewältigung zu helfen.
Mithilfe von Geschichten lassen sich achtsame Momente als Familie schaffen. Sie bieten einerseits Ablenkung von Problemen, andererseits eine Möglichkeit, darüber zu reden. Wählt Geschichten, in denen eure Kinder Bezugspunkte zu ihrem eigenen Leben finden. So können sie sich vergleichen und ihre Probleme besser verarbeiten.
Gerade vor dem Schlafengehen sind solche kleinen, regelmäßigen Abendrituale sinnvoll. Das KiKA-Baumhaus ist ein gutes Format für Familien mit Vorschulkindern. Direkt vorm Sandmann schauen sich Singa, Juri, Matondo einige Bilder und Basteleien von Kindern an. Dazu gibt es immer eine kleine Geschichte.
Sport und Bewegung nach oben
Achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen, bedeutet, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören.
Was brauche ich gerade?
Was fühle ich n diesem Moment?
Um die eigenen Bedürfnisse kennenzulernen, ist es für Kinder wichig, Pausen für Langeweile und zum Nichtstun zu haben. In diesen Freiräumen können Kinder frei spielen und sich selbst begegnen.
Das Bedürfnis nach Bewegung haben alle Menschen. Kinder benötigen besonders viel Bewegung, da sie sich noch in der Entwicklungsphase befinden. KiKA bietet deshalb regelmäßig Übungen für Kinder, bei dem sie den eigenen Körper bewusst spüren können. Kinder-Yoga, Atemübungen, kleine Meditationen und Koordinationsübungen schaffen ein Bewusstsein und machen den Kopf frei.
Bewusst essen nach oben
Gesund zu essen bedeutet neben einer ausgewogenen Ernährung auch, sich Zeit für die Mahlzeit zu nehmen. Könnt ihr euch ohne Ablenkungen auf das Essen konzentrieren und es genießen? Das ist oft gar nicht leicht, wenn das Radio läuft und die Whatsapp-Gruppe euch zuspamt.
Tipp: Handy und Radio beim Essen auslassen. Und mindestens eine Mahlzeit am Tag gemeinsam einnehmen. Das schenkt euch Zeit als Familie.
Achtsamkeitsidee: Was schmeckt ihr, wenn ihr esst? Wie genau schmeckt es und woran erinnert es euch?
Wenn ihr eure Kinder in den Kochprozess integriert, wird euch nicht nur Arbeit abgenommen, eure Kinder lernen, eine Verknüpfung herzustellen. Das, was sie zubereiten, essen sie später. Gemeinsam zu kochen, fördert die Wertschätzung des Essens.
Was gibt es heute?
Essen muss im Alltag oft schnell gehen. Um nicht jeden Tag erneut in Stress zu geraten bei der Frage "Was gibt es heute?" kann ein vorab erstellter Wochenplan helfen. Überlegt zum Beispiel am Samstag gemeinsam mit der Familie, welche Gerichte ihr in der kommenden Woche essen möchtet. So haben alle Familienmitglieder die Chance, ihre Wünsche einzubringen und ihr habt direkt ein gemeinsames Ritual geschaffen.
Anhand der Planung könnt ihr direkt schauen, welche Zutaten ihr noch zu Hause habt und was auf den Einkaufszettel gehört. So gut vorbereitet geht auch das Einkaufen schneller und ihr kommt wahrscheinlich seltener auf ungesunde Alternativen zurück.
Mit sich und anderen achtsam umgehen nach oben
Das Beste, was ihr tun könnt, um euren Kindern ihre natürliche Achtsamkeit zu erhalten, ist sie mit ihnen zusammen auszuleben.
Wie oft habt ihr schon ungeduldig auf eure Kinder gewartet, weil sie etwas auf dem Weg entdeckt haben und ihr weitergehen wolltet?
Wir können von Kindern lernen, was es heißt, Dinge bewusst wahrzunehmen. Neugierig und aufmerksam zu sein. Das alles bringen Kinder von Natur aus mit. Doch in der Welt der Erwachsenen wird es schnell überlagert von Pflichten, Terminen und Plänen.
Diese Dinge könnt ihr allein und/oder mit euren Kindern tun, um ein achtsameres Leben zu führen und Ruhe in euren stressigen Alltag zu bringen:
Reflektieren
Was war heute ein Glücksmoment für mich?
Was habe ich für mich getan und worauf freue ich mich morgen?
Auch für Kinder ist es wichtig, zu reflektieren, um ihr eigenes Bewusstsein zu begreifen. Es hilft ihnen, ihre Gefühle besser einzuordnen, mit Stress im Alltag umzugehen und ihre Umwelt zu entdecken.
Tipp: Sprecht mit euren Kindern abends vor dem Schlafengehen über den Tag. Das Erzählen von schönen Erlebnissen hilft, den Tag mit einem positiven Gefühl abzuschließen, bewusst eine schöne Erinnerung in den Vordergrund zu stellen und gemeinsam zur Ruhe zu kommen. Dabei muss es sich gar nicht um ein aufregendes Erlebnis handeln. Es kann auch ein kleiner Alltagsglücksmoment sein, wie ein schönes Gespräch in der Schule oder eine leckere Mahlzeit.
Dankbarkeit zeigen
Wann hast du das letzte Mal ehrlich "DANKE" gesagt?
Auch Danke sagen kann ein Weg sein, den Tag mit einem positiven Rückblick ausklingen zu lassen.
Warst du heute dankbar, dass endlich mal wieder die Sonne geschienen hat oder, dass dir deine Freundin zugehört hat? Dankbarkeit steigert die Zufriedenheit und den Optimismus und das auch schon bei Kindern. Diese Gedanken können zum Beispiel in einem kleinen Dankbarkeits-Tagebuch notiert werden. Diese Notizen könnt ihr durchlesen, wenn es gerade mal nicht so ein guter Tag war und ihr einen postiven Gedanken braucht.
Gefühle zulassen
Achtsam zu sein bedeutet nicht, immer nur gut gelaunt zu sein und nur positive Gefühle zuzulassen. Auch vermeintlich negative Emotionen wie etwa Wut oder Trauer haben ihre Berechtigung. Diesen Gefühlen bewusst Raum zu geben, kann helfen, anschließend wieder zur Ausgeglichenheit zurückzufinden.
Ihr könnt euren Kindern ein gutes Vorbild im Umgang mit Gefühlen sein. Wenn ihr wütend seid, dann haltet es nicht zurück bis ihr vielleichr sogar schreit. Sprecht es offen an oder sagt: "Ich bin gerade traurig, aber das ist okay." Traurigkeit gehört genauso zum Leben wie Freude und eure Kinder brauchen sich damit nicht zu verstecken.
Tipp für Eltern: Wenn alles zu viel ist, ist es manchmal besser, die negativen Gefühle auszuleben. Macht euch eine Playlist mit Liedern, die euch zum Weinen bringen. Oder schreit in ein Kissen. Indem ihr euer Gefühl aktiv akzeptiert und auslebt, verarbeitet ihr es gleichzeitig besser.
Gefühle musikalisch verarbeiten
Aufeinander achten
Nehmt euch Zeit und fragt eure Kinder häufiger im Alltag, wie sie sich gerade fühlen. Solche achtsamen Gespräche können ihnen helfen, mit stressigen Situationen umzugehen, da sie innerlich einen gedanklichen Schritt zurück machen und die Situation und ihre eigene Reaktion auf das Erlebte bewerten.
Wenn ihr eure Kinder in solchen Gesprächen ernst nehmt, fühlen sie sich angenommen, verstanden und geborgen. DSo könnt ihr in der Beziehung zu euren Kindern mehr Nähe herstellen und gegenseitigen Respekt vermitteln. Um über Gefühle zu sprechen, kann es helfen eine kleine Achtsamkeitsübung daraus zu machen.
So geht's: Stellt dafür eine Glasschüssel gefüllt mit Wasser in die Mitte und jedes Kind sucht sich ein Glitzerpulver aus. Nacheinander sagt im Anschluss jede*r, wie es ihm oder ihr heute Morgen ging und streut ein bisschen von dem Glitzer in das Glas. Das symbolisiert, dass die Emotionen durcheinander sein können und den klaren Blick trüben.
Anschließend wird umgerührt und alle beobachten gemeinsam, wie sich der Glitzer nach und nach absenkt und das Wasser wieder klar wird. Empfohlen wird diese Übung ab fünf Jahre.